Montag, 24. November 2014

Ein Kind retten...


Video der Woche


Tricktechnik, die man nicht sieht - und eine Lehrbuch-Videokampagne, die sich sehen lassen kann! Achtung, hat einen 'very british accent'!



Youtube Direktlink

Die Dramaturgie des Videos folgt direkt dem Angebot der Baranardo's Children Charity. Ihres Zeichens Englands größtes Kinderhilfswerk, dass sich seit 1866 um Kinder in schlimmen Lebenslagen kümmert und sie bis in das Erwachsenenalter begleitet. So auch den jungen Michael im Film...nur sehen wir alles in umgekehrter Reihenfolge - mit unsichtbaren Übergängen.

Diese umgekehrte Zeitlinie ist ein dramaturgischer Geniestreich, und dabei - wie alles Geniale - so simpel. Alleine die Umkehrung generiert zugleich Spannung (es wird immer gewalttätiger) UND Überraschungseffekt (wenn der Groschen beim Zuschauer fällt), beides sind ja die Kernelemente guter Dramaturgie - siehe meinen Post zur Dramaturgie

So, der Film ist um. Interessierte Geister (und damit die Zielgruppe des Videos) lesen nun die Beschreibung auf Youtube, in der es einen Link gibt. Er führt lehrbuchmäßig direkt zu einer sauber aufgesetzten Landingpage mit Spendenaufruf:

Direktlink: https://bitly.com/sI1w4L

Und hier wird zunächst Zusatzmaterial angeboten - wieder wunderbar in der schon bekannten Zeitleiste, aber diesmal als kleine Video-Filmchen der jeweiligen Barnardo-Mitarbeiter, die zu unterschiedlichen Lebensjahren unseres Protagonisten Michael tatsächlich eingesetzt waren, ein Klick auf die Jahreszahl öffenet sie...wir erfahren also nebenbei, dass seine Geschichte nicht ausgedacht ist. Das führt in die Realität zurück. Und genau hier wird dann passenderweise der Spendenaufruf gesetzt. Wann, wenn nicht jetzt, können wir gut unser ausgefiltertes Zielpublikum fragen?

Aber damit nicht genug, Es gibt noch ein  nettes Making-Off Video zum Kampagnenclip, und dann folgen schön klar und übersichtlich die Social Media Kanäle - schauen wir auf Youtube, dann sehen wir, dass die gesamte Öffentlichkeitsarbeit auf Video ausgerichtet ist, das zeigt auch die eigentliche Homepage, die vor allem aus Video-Zeugnissen von jungen Klienten besteht.



Und wer auf die Youtubeseite kommt, der findet als erstes und ganz oben ein Video, dass um Pflegeeltern wirbt:
Youtube Direktlink

Denn auch hier betreibt Barnardos Fundraising: Pflegeeltern sind - neben Geld - für die Arbeit dieser Kinderhilfsorganisation unabdingbar. Und daher gehört dieses Video ganz nach oben. Diese Art der Videoarbeit ist wirklich lehrbuchmäßig...

Leider sehe ich mich oft mit Videoaufträgen konfrontiert, in denen Videos völlig alleine dastehen, nicht Teil einer Kampagne sind und eigentlich von diesem einen Clip alles erwartet wird. Das Video soll Geld generieren - ohne dass es zu einer eigenen Spendenseite führt.  Das ist ungefähr so sinnvoll wie ein Klingelknopf ohne Klingel zu bauen. Videos generieren Emotionen (wenn sie gut sind), und diese generieren Aktionen, und die müssen ja irgendwo stattfinden. So einfach ist das. Barnardos macht das ganz vorzüglich vor. 

Montag, 17. November 2014

Fluchende Prinzessinen

Video der Woche


Eine virale Bombe - und zugleich höchst umstritten. Aber erst mal die kleinen Prinzessinnen mit "F-Bombs":



Youtube Direktlink

Hähä - der Schockeffekt ist zumindest gelungen, und die Mädels machen ihren Job großartig. In Amerika wird das Wort F**ck in den Medien normalerweise mit einem Piep übertönt. Selbstzensur vom Feinsten - dabei haben die Staaten die größte Pornoindustrie der Welt. Muss man nicht verstehen. Und wie aktuell das Thema Sexismus ist..tja, Emma Watson (Hermine aus Harry Potter) zumindest hat dazu sogar vor der UN eine vielbeachtete Rede gehalten: UN Women Goodwill Ambassador Emma Watson.

Das Video "F-Bombs" ist in wenigen Wochen in die sechstelligen Zuschauerzahlen gerutscht - und hat zugleich Hater, Trolle wie auch Konservative und Feministinnen aller Couleur auf den Plan gerufen, die sich Pro und Kontra einen Glaubenskrieg in den Kommentaren liefern - und das durchaus auch genau auf dem sprachlichen Niveau der jungen Damen im Film - oder sogar weit darunter:


Hinter dem Film steht eine Firma namens FCKH8, die mit T-Shirt-Slogans die Welt verändern will und zugleich an den T-Shirts selber Geld verdienen möchte. Äh...Moment..ist das denn erlaubt? Hierzulande trennen wir ja strickt, geradezu ein ehernes Grundgesetz der NonProfit Branche: Geld und Gutes Tun - das muss man rasiermesserscharf auseinander halten - wo bliebe sonst die Glaubwürdigkeit? Wir erinnern uns düster an Humana und andere Skandale.

Rebecca Haines - ihres Zeichens bekannte konservative Bloggerin - wirft den Machern des Videos auch genau das vor. Sie hätten die Mädchen für den Film ausgenutzt. Harte Worte...
If we follow the money and consider FCKH8’s motivations in producing “F-Bombs for Feminism,” it’s pretty clear that FCKH8 is in the wrong. Although the video purports to be “for [a] good cause”—presumably, to raise awareness of sexism—what they’re really promoting is their t-shirts. By putting FCKH8’s bottom line ahead of girls’ best interests, FCKH8 is being exploitative. (Quelle)
Aber hey, das ist doch heut schon geradezu Mainstream - im Profit-Lager. Immer mehr Firmen geben sich als Better-World-Aktivisten. Beispiele gefällig?


Kaum eine der anderen Profits-4-the-Cause-Kampagnen hat eine solche heiße Debatte ausgelöst, nicht nur in den USA. Und niemand hat Always, Dove oder CocaCola ihr Engagement als scheinheilig vorgehalten (was es - entschuldigt mal - meiner Meinung nach durchaus ist)
Ich denke, der Grund liegt darin, dass FCKH8 es ernst meint - und ein echtes Problem anspricht - eines, dass tatsächlich Awareness benötigt: Sexismus. Während die anderen ProfitAktivisten sich nur an konsensfähige Weichspühler-Allgemeinplätze gewagt haben. Ich meine, wenn keiner aufschreit, hast Du als Aktivist doch wohl was falsch gemacht...Sexismus und Rassismus spalten nach wie vor die Gesellschaft. Photoshop tut das sicher weniger.

Nun lehne ich mich mal noch weiter aus dem Fenster: Es gibt die Trennlinie zwischen Proft und NonProft nur virtuell. In der Realität zählt aber doch nur, was wirklich Gutes bewirkt wird. Wenn - sagen wir mal - Facebook für mehr Demokratie in der Welt sorgt und dabei Geld verdient...naja, so what? Ich denke die Linie ist in Wirklichkeit ein Grau-Verlauf und jede Institution befindet sich da drauf irgendwo - auch ich verdiene mein Geld, aus einer bewussten Entscheidung heraus - nicht mit dem Filmen von Zigarettenwerbung sondern mit fast ausschließlich NonProfit-Kampagnenfilmen. Aber ich verdiene Geld damit. Übrigens: Woher kommt eigentlich Euer Gehalt?

Schönen Montag!

Dienstag, 11. November 2014

Jesus, Mutter Theresa & Ghandi-Dinner


Video der Woche


Warum sitzt Du mit am Tisch? Grandioser UNICEF-Spot aus Schweden, der uns alle ein bischen auf Weihnachten einstimmen kann:



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Der Film führt - ganz klassich - auf diese Landing-Page, wo man medizinische Weihnachtsgeschenke für die Arbeit mit Flüchtlingskindern kaufen kann. So weit, so gut...

Aber was das Video-Konzept ausmacht - neben der netten Story - ist dies: Es gibt Fortsetzungen... Hier kommt Teil 2:

Youtube Direktlink

Vielmehr gibt's dazu kaum zu sagen. Ich wünschte, sie schaffen noch Teil 3...Ihr auch?

OH OH OH ---da ist er schon: Link zu Teil 3

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Sorry, dass ich diesmal den Video der Woche erst Dienstag gepostet habe - ich musste mich vom anstrengenden Caritas-Weihnachtsfilmdreh am Wochenende erholen. DEN gibt es natürlich auch demnächst hier zu sehen, ein kleines Weihnachtsmärchen für die Obdachlosenhilfe - wer einmal ein paar Setfotos sehen will, die gibt's hier

Montag, 3. November 2014

Der Karma-Reggae


Video der Woche


Negativ-Schlagzeilen in den Medien - Trolle und Hater im Netz - Mobbing schon in der Grundschule...sollten wir unseren Montag vielleicht mit einer gepflegte Depression beginnen?

Die amerikanische Middle-School-Lehrerin Orly Wahba (hier auf TED zu sehen) setzt dem etwas entgegen: Die "innere Rettungsweste". Lehnt Euch zurück, genießt 5 Minuten lang den "Kindness-Boomerang" Film mit Feel-Good-Reggae und einer echten Karma-Story, und schon ist dieser Montag nicht mehr ganz so trist:

Youtube Direktlink

Live Vest Inside - eine NGO, die lediglich Akte der Güte verbreiten will...hmmmm!
Es geht ja weder um den Urwald, noch Atomkraft noch Menschenrechte...hmmm!
Naja, auf so was kommt man wohl nur am unsozialsten Ort unserer Gesellschaft...in der Schule.

Aber es trifft einen Nerv. Kinohits wie Das Glücksprinzip wurden nicht nur durch Kevin Spacey ein Erfolg (wenn er auch ein genialer Schauspieler ist). Auch die inzwischen fast 20 Millionen Views des Youtube Filmchens "Kindness Bommerang" von LiveVestInside hier oben fahren auf einem Erfolgszug mit: Dem Wunsch nach einer netteren Welt, netteren Menschen, netterem Zusammenleben, und zwar ganz unmittelbar in unserem Alltag, der davon eher weit weg zu sein scheint.
Wie hat eine kleine, fast Ein-Frau-NGO aus New York so einen viralen Hit landen können? Antwort: Schwer zu sagen, aber ein guter Film, ein hochaktuelles allgemeingültiges Thema & gute Seeding-Strategie haben sicher nicht geschadet.

Der Film


One-Shot Filme (mit nur einer Einstellung) wie z.B. Kylie Minogue's Come into my world haben an sich schon einen Boah-Effekt. Sie sind sauschwer zu filmen, dementsprechend selten und halten die Spannung, eben weil wir uns irgendwann fragen, wie lange das noch weitergehen kann ohne Schnitt.
Die überraschende Wendung am Ende ist hier dramaturgisch sauber gesetzt: Der Akt der Güte kehrt zu Dir zurück. Noch ein Pluspunkt: Einer der wenigen Filme, die ganz ohne Worte auskommen.

Vor allem aber funktioniert das Thema für so ziemlich jeden! Wie oft haben wir schon auf "35 Fotos, die Dir den Glauben an die Menschheit zurückgeben" oder ähnliches geklickt? Das zieht immer. So gut wie Sex und Blut. Wir WOLLEN in einer netten Welt leben. Neben Schauermärchen lieben wir ebenso Disneyfilme mit garantiert gutem Ende.
Jaja, ein Akt der Boshaftigkeit verbreitet sich viral noch viel schneller als ein Lächeln oder eine gute Tat. Gerade deswegen lieben wir, wenn es anders läuft.

Seeding


Man soll's nicht glauben, aber inzwischen gibt es Crowdfunding-Plattformen, bei denen man seine eigene Social-Media-Aktivität spenden kann. Z.B. die New Yorker Plattform Thunderclap. Nur bei erreichen von sagen wir mal 500 Twitter-Willigen geht die Kampagne auch los und alle twittern unseren Slogan zeitgleich. Das garantiert dann eine hohe soziale Reichweite und kann den Initial-Boost liefern, also das Zünden der viralen Bombe sozusagen. Seeding per Plattform - die soziale Reichweite des Kindness-Boomerang Filmes gibt Thunderclap mit über 1.5 Millionen an. Nicht übel. Vielleicht kann unser deutsches Batterplace-Lab mal so eine Funktion erfinden? Wäre doch echt ein Kampagnen-Tool erster Sahne für den heimischen Markt.


Was ich gelernt habe aus dem Film? Dass ich langsam alt werde: Habe ihn meiner Tochter (12) vorgespielt und ihr einziger Kommentar: "Den kenn' ich schon lange!" - Tja...