Montag, 27. April 2015

Heirate mich!


Video der Woche

"Der wahrscheinlich schönste ...Hochzeitsfilm, den wir je gesehen haben!" Advocat 2011

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Geht das jetzt ans Herz oder nicht? Hm? Oh ja, das tut es. Aber der Spot der Australischen Aktivisten von GetUp! (Die dortige Version von Avaaz oder Chang.org) trifft noch aus einem anderen Grund:

Die Verbindung zum Zuschauer. 


Im Online-Marketing gilt: Die Geschichte kann noch so emotional sein, wenn sie wenig mit mir persönlich zu tun hat, oder mit meinen Freunden,...dann werde ich sie kaum weitergeben. Dieser Film hier jedoch betrifft mich und uns. Es geht um unsere Kernüberzeugungen- und empfindungen zum Thema Hochzeit. Die wir fast alle gemeinsam haben.

Eine Meinungsumfrage der LBGC TheThirdWay 2009 (pdf) ergab, dass die Menschen mit Hochzeit vor allem den rituellen Akt der Zusage, des Versprechens am stärksten verbanden. "The middle needs to hear a message about commitment, not rights."
Die rechtlichen Vor- und Nachteile einer Ehe stehen für die Mehrheit dagegen viel weiter hinten. Doch LG-Awarenesskampagnen fokussieren oft auf genau diese Aussage: Gleiche Rechte für alle!

Die Macher des GetUp-Spots hatten schon zwei Kampagnen hinter sich, beide fokussierten sehr kreative oder beeindruckend auf das Thema gleiche Rechte und versuchten, Argumente gegen gleichgeschlechtliche Hochzeiten zu entkräften. Beide Kampagne, sowohl die "Twins" als auch ein Jahr später die Satire "Y2Gay" waren nur mäßig erfolgreich - trotz guter Stories oder Machart.

   

Der "Heirate mich!"-Spot von 2011 dagegen setzte ganz auf den einen Augenblick, der auch uns alle anrührt. Nennt mir einen Verheiraten, der den Augenglick des Ja-Wortes vergessen hat, hm?

Der Spot wurde folgerichtig in POV (Point of view) erzählt - denn er will genau das, was jede gute Geschichte will: Uns zum Teil der Geschichte werden zu lassen, Identifikation herstellen. Es ist völlig unerheblich, wer da wen heiratet, wenn jemand den Ring auspackt und auf die Knie geht, dann zittern unsere Knie mit. Und über diese Gemeinsamkeit schafft der Spot es, uns zu erreichen und dann: Uns zu seinen Verbündeten zu machen. Und er besitzt die Shareworthyness für fast jeden anderen Menschen auf der Erde, der mit dem Konzept der Ehe vertraut ist...;-)

Der Film schaffte in den ersten vier Tagen nach Veröffentlichung 2 Millionen, er ging sofort global auf Reisen. Heute sind es über 15 Millionen.

Montag, 20. April 2015

Sie starren Dich an!


Video der Woche

Einfach so sehenswert.

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Das Video mach ich in meinen Workshops in Zukunft zum Paradebeispiel der dramturischen Wende. Besser als hier hab ich es selten gesehen.
Geradezu klassisch!

Werbespot zu den Special OlympicWorld Games 2015 in Los Angeles. Heute mal ohne viel Analyse, probiert es gerne selber mal aus (Die Statistik z.B. ist ebenfalls ein Lehrbuchstück)

Den hab ich mir aufgespart für Wochen, in denen ich wenig Zeit hab.
Wie heute.
Überraschend kam ein Zuschlag für ein Herzensprojekt in Indien für die Welthungerhilfe. Mehr darüber demnächst auf meiner Facebook-Filmemacherseite.

Montag, 13. April 2015

April April


Video der Woche

Hat Euch jemand in den April geschickt, vor zwei Wochen? Nein?
Na...dann kommt hier nachträglich noch einmal DIE Chance:

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"Prank-Advertisment" - so nennt man den neuen Hype der Werbebranche, der schon längst in die NonProfit-Welt übergeschwappt ist. Viele von Euch kennen sicher  LG's Meteor-Einschlag oder den Belgischen "Push-to-add-Drama"- Prank, zwei der größten viralen Erfolge in letzter Zeit:

  

PuppySwap, das erste Video oben, ist eine "Hunde-sind-kein-Wegwerfprodukt" - Kampagne der Tierschützer von PuppySwap aus Toronto/Kanada. Und sie spielen in derselben Liga. - Ok, zweistellige Millionenzahlen haben sie nicht erreicht, aber der Puppy-Swap Spot ging ebenfalls viral auf Reisen, gepuscht durch Blog- und Medienberichte (siehe die kleinen Knicke in der Statistik), wie etwa in der Huffington Post:

Und sie sind nicht die einzigen, die auf Pranks setzen!
Zum 1. April lieferten Kars4Kids.org einen herrlichen Aprilscherz, indem sie ihr eigentliches Spendenmodell umkehrten:

Eigentlich kann man bei KARS4KIDS.org sein altes Auto spenden, und das Geld geht dann in Erziehungsarbeit mit benachteiligten Kindern einzusetzen.

Prank - Dramaturgie

Jeder Prank - wie ja auch jeder gute Aprilscherz - lebt davon, dass irgendwer grandios reingelegt wird - das können wir selber sein (im PuppySwap, Kids4Kars) oder aber stellvertretend andere, mit denen wir mitleiden und -lachen (LG-Meteor-Prank, der übrigens komplett mit Schauspielern produziert wurde, zwinker, zwinker). 
Und wie jeder Witz hat auch der Prank dadurch eine extrem starke dramaturgische Wendung, nämlich wenn der Groschen fällt, aber sein eigentlicher Sexappeal entsteht woanders: Es werden nämlich ECHTE Menschen reingelegt, egal ob wir oder andere. Es ist real  (Außer bei LG). Und wie Reality-TV oder der Unfall auf der Gegenspur der Autobahn entwickelt das seine eigene Gravitation - das hat seine Vor- und Nachteile. Es ist nämlich auch ein Spiel mit dem Feuer, weit mehr als Flashmobs oder Guerilla-Aktionen. 

Risiko vs. Benefit

Pranks sind wie Risiko-Aktien: Sie bieten weit überdurchschnittliche "Rendite" bei geringem Einsatz - haben aber auch ein viel höheres Risiko, man kann nämlich auch sehr viel verlieren, bei NonProfits und Kommerziellen sozusagen alles: Die Glaubwürdigkeit der eigenen Marke.

Grund genug für viele NonProfit-Entscheider, sich nicht auf's dünne Eis zu begeben und vom sicheren Ufer der Seriösität neidisch auf Aktionen wie "Fuck the poor" zu blicken, deren Popularität davonfliegt wie die Zugvögel im Herbst. Und JA: Zahlen sind noch kein Erfolg, es müssen auch Taten folgen...oder Spenden. Das ist nicht immer der Fall, auch bei viralen Stars nicht.

Allerdings haben NonProfits gegenüber kommerziellen Marken schon einen ziemlichen Vorteil: Sie haben einen Vertrauensvorschuss und sehr oft ist die Botschaft extrem positiv konotiert - wir lernen oft etwas, das wir ebenfalls so sehen, aber vielleicht vergessen haben, und das kommt der Kampagne zugute. PuppySwap etwa wird von Bhupesh Shah, einem Professor der Seneca College’s School of Marketing trotz mancher kritischen Kommentare als voller Erfolg gewertet:
"In this case it works, he says, because the THS is positively viewed and the video makes a real emotional connection with viewers. (Quelle)"

Ein Best-Practice Beispiel

Hier ein Beispiel aus Tunesien, das ich für einer der besten NonProfit-Pranks der letzten fünf Jahre halte: Nach dem Sieg über Diktator Ben Ali macht sich dort nämlich Wahlmüdigkeit breit. Dieser Prank geht mit einer fantastischen Idee dagegen vor: Einem Ben-Ali Wahlplakat (Etwa so, wie wenn man bei uns ein Hitler-Wahlplakat äufhängen würde). Und damit Euch einen schönen Montag.

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Dienstag, 7. April 2015

Video als Hashtag-Killer


Video der Woche

Kann man einen Twitter-Hashtag umbringen? Die NGO WaterIsLive hat es 2013 versucht. Hier ein Recap-Video dazu:

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Viele von Euch kennen das Video wahrscheinlich. Aus dem Mund von Menschen in Krisengebieten klingen unsere Probleme einfach nur absurd. So weit, so kreativ.
Aber die Story der Kampagne dahinter ist viel spannender als das Video selber:

Mit dem Original-Video wurden knapp 7 Millionen  Zuschauer erreicht. Der #FirstWorldProblems - Hashtag auf Twitter war schon seit 2006 populär.  Er war schon immer beliebt und hatte eine ironische Note, ist aber leider auch eine Art Schulterzucken, mit dem wir unsere Probleme entschuldigen - siehe diese grandiose Sammlung. "Ja, wir wissen, es ist kein Weltuntergang" aber trotzdem hier mein Problem...usw. Mein Favorit:

I have too much chips for my dip, but if I open more dip, I’ll have too much dip for my chips.
Aber in 2012 kam der Hashtag in das Oxford Dictionary Online (sagt Wikipedia) und zugleich entstanden eine wahre Flut  an neuen Online-Videos dazu - das erfolgreichste darunter die Parodie FWP des Youtube-Erfolgskanals HigaTV mit 11 Millionen Zuschauern, die sich vor allem durch die Fans der Serie erklären.

WaterIsLive machte sich das zunutze. schaffte es, mit ihrem Konzept auf Platz zwei der Erfolgsvideos zu kommen, und weitere Videos zu inspirieren, z.B. das Response-Video der NGO GrowingOpportunities und viele andere.

OK...WaterIsLive ist auch eine recht problematische NGO, der man Stigmatisierung vorwerfen kann. Siehe dieses Bild des guten weißen Heilandes, der Afrika rettet - und das derzeit die Startseite von WaterIsLive "ziert":



Auch ihr Video geht ziemlich in diese Richtung, und da könnte man respektvoller (und lustiger) vorgehen. Aber aus der Kampagne können wird auf jeden Fall etwas lernen, und darum ist es Video der Woche:
  1. Aktuelle Trends - über die jeder spricht - sind ein fantastisches Vehikel für unsere Kampagnen. 
  2. Einen Hashtag zu entern, umzuwidmen und für eine gute Sache zu verwenden - das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal und ein grandioses Unterfangen. 
Und nun denkt mal nach: Worüber spricht Deutschland? Und zwar noch das nächste halbe Jahr? Der GermanWings-Absturz als Aufreger des Monats fällt da schon mal raus.
Und welche Social-Media-Tags - oder auf Deutsch "Schlagworte" - wären geeignet für irgend einen andere, neue Kreativ-Kampagne?
Hier hilft nur, was jeder Geschäftsmann weiß: To have success in a business, you have to be in that business. Wer nicht aktiv auf Twitter und Facebook unterwegs ist, und zwar mit mehr als einem wöchentlichen Verlegenheits-Post, kann diese Trends auch nicht aufspüren.