Donnerstag, 27. Januar 2011

Online Seeding von NGO-Videos

Die Verbreitung eines NGO-Kampagnenvideos im Web wird oft und gerne auf dem Weg der viralen Distribution - also durch Mund-zu-Mund Propaganda versucht. Doch die beginnt ja immer irgendwo. Diesen Einstieg nennt man passenderweise Seeding:

Das Video wird zum Start gezielt platziert und aktiv weiterempfohlen. Das kostet Geld bzw. Zeit. Nur mal so eine Zahl: Die Akquise von einer Millionen Zuschauer kosten bei einer Social-Media-Agentur heutzutage bis zu 300.000 Euro (= 30 cent/viewer)

Um gleich mal mit einem Mythos aufzuräumen: Die allermeisten viralen Videoerfolge waren sorgfältig geplante und hoch budgetierte Agentur-Produktionen - und NICHT das lustige Amateurvideo. Eine virale Bombe mit k(l)einem Geld zu schaffen, das ist so wahrscheinlich wie ein Lottogewinn. Verbreitung im Web ist ein aktiver Prozess und verlangt permanente Betreuung. Auch dann noch, wenn es zu einer selbständigen Verbreitung kommt.

Vor einer Videokampagne sollten jedoch die Kräfte richtig eingeteilt werden, denn NGOs haben häufig weniger Manpower als Profit-Organisationen für so etwas übrig. Darum sollte sehr zielgruppenspezifisch gearbeitet werden - und das auch in der Produktion der Videos gleich berücksichtigt werden.
 Außerdem ist der Zeitpunkt oft sehr entscheidend: Im Umfeld einer Fußball-WM kann man durchaus für Frauenrechte werben, wenn man ein passendes Fußballvideo erstellt. Vor dem Start eines Katastrophefilmes wiederum kann ein angelehnter Umweltspot durchaus hundertmal mehr Klickraten erhalten, als das sonst der Fall wäre.

NGOs unterscheiden sich von Profit-Organisationen durch ihren SozialBonus - sie können also z.B. auf mehr oder kostengünstigere Unterstützung von Medien und Presseverteilern hoffen, als das bei Profit-Institutionen der Fall wäre. Auch gibt es viele existierende Netzwerke oder auch Promi-Fankreise, die sich durchaus einem Kampagnen-Thema annehmen und dadurch zu einer schnellen Verbreitung beitragen. Ein schönes Beispiel:

Wir stricken eine Haus 



Hier wurde die Strick-Kampagne zugunsten des Wohnheim-Pilotprojektes Haus Alice in das große Netzwerk Nadelspiel - mit unzähligen Hobby-Strick-Begeisterten eingebunden - die selber über hunderttausend Teilnehmer zählt. Eine geschickte Platzierung -


Passives Seeding


Jede große NGO hat heute einen Youtube-Channel. Doch der sieht oft aus wie ein Ramschladen und animiert nicht zum Weitersuchen. Dabei handelt es sich doch hier um das Schaufenster der NGO, auf das der User selbständig kommt (insofern ist die NGO hier "passiv" beteiligt). Wer würde in seinem Schaufenster gleich ALLES was er hat, ausstellen? Stattdessen sollten auf allen passiven Plattformen - wie Webseite, Youtube-Kanal, Kampagnenseiten usw. nur die Teaser stehen - gut ausgewählt und verknüpft mit weiterführenden Links. Also bei Youtube etwa "best of" und "most actual", die auf der Frontseite sofort ins Auge fallen. Dasselbe gilt für Facebook, Twitter, Blogs - alle Kommunikationsplattformen der Kampagne/NGO eben.


Aktives Seeding

Wenn die NGO selber tätig wird - dann ist das Medium der Wahl zunächst mal der Email-Verteiler bzw. die Email-Kampagne, mit dem ein Online-Video promotet wird. EIN Video oder EINE Video-Reihe, nicht das gesamte Portfolio. Will der Empfänger mehr wissen, kann er das selber tun. Am sinnvollsten ist es immer, wenn eine Videokampagne interaktiv gestaltet wird, d.h. der Zuschauer wird direkt animiert zu einer Reaktion - etwa, indem er im Video selber durch einen Klick Entscheidungen treffen kann. Ein gutes Beispiel ist die Kampagne "Spende ein Essen" aus Düsseldorf:



Aufgrund der gelungenen Machart erhielt die Düsseldorfer Tafel ebenfalls eine weitläufige Aufmerksamkeit in den  regionalen und überregionalen Medien - im Grunde mit EINER Videoapplikation.

10 Tipps für Video-Seeding

  1. Zielpublikum kennenlernen - ihre Schlagworte, ihre Webplattformen - und dort aktiv teilnehmen, selber oder durch Multiplikatoren.
  2. Gutes Timing: Den Videocontent an laufende Events und Themen angliedern
  3. Interaktivität - Im oder neben einem Video.
  4. Passive Seeding-Kanäle einrichten, die leicht bestückt werden können: Youtube-Kanal, Facebook-Kampagnenseiten, Social Bookmarking Sites usw.
  5. Technische Optimierung: Video-Titles, Tags, Descriptions, Search Engine Optimization (SEO) aufgrund der Schlagwortlisten und Zielpublikumsdefinition.
  6. Aktive Seeding-Kanäle einrichten: Presseverteiler, Email-Verteiler
  7. Günstige Werbeschaltungen im Internet (z.B. GoogleAdds) bestellen.
  8. Videoempfehlung befreundeter Netzwerke nutzen oder das Video dort einbinden.  
  9. Monitoring und Analyse der Videoverbreitung. Social Media Monitoring.
  10. Folgekampagnen oder Video-Reihen etablieren und damit Erstkontakte zu längeren Kontakten ausbauen.

Montag, 17. Januar 2011

Zielpublikum von Fundraising-Videos

* zu diesem Thema halte ich am 21.1.2011 auch eine Session beim Fundraising 2.0 Camp in Berlin
Fundraising ist nur EIN Kommunikationsziel für Videos, und sicher nicht das Erste - aber wer Spenden sammeln will, muss sich ja immer genau über sein Zielpublikum klar werden.
Zielgruppe 1: NEUE Spender statt Bestandsspender
Warum? Weil der größte Teil der finanziellen Unterstützer von NGOS genau das ist: Alt! Diese Spender gehören zur Generation Klassik, die mit TV und Spendengala groß geworden sind. 50% der Spenden von Privatpersonen stammen in Deutschland von der Generation 60+ (Quelle: Wikipedia). Die Internet-affinen Jüngeren bis ca. 45 Jahre sind aber die Hauptnutzer von Online-Videoclips. Diese Generation gehört meist (noch) nicht zum Spenderkreis. Es geht also darum, bei diesem "Nachwuchs" erst mal Vorarbeit zu leisten: Das eigene Branding bekannt machen, Awareness zu wecken, Kontakte zu knüpfen. Sehr häufig ist das Video der Erstkontakt.
Entsprechend müssen solche Videos sehr kreativ sein, mit hohem Unterhaltungswert, um einen Bezug zum Zuschauer zu etablieren. Nur dann können Sie auch eine gewisse Verbreitung zu finden - und darum geht es bei Onlinevideo vor allem anderen - denn Distribution kostet im Internet so wenig wie sonst in keinem anderen Medium - meist ist sie sogar kostenlos. 
Beim Erstkontakt sollte man vorsichtig sein mit dem direkten Spendenaufruf - zumindest IM Video. Ein Klickbutton am Ende oder unterhalb auf der Seite hingegen ist wiederum sehr sinnvoll. 
Zielgruppe 2: Corporat / Public Supporter
In Deutschland wird der NonProfit Sektor deutlich geringer aus philantropischen Mitteln finanziert als das international der Fall ist. Kein Sektor erzielt auch nur die Hälfte seines Budgets durch Spenden. (Quelle: Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project).
Eine zweite Zielgruppe für die Fundraising-Kommunikation von NGOs sind daher ganz klar Entscheider in der Politik & Verwaltung sowie Sponsoren aus der Wirtschaft.
Sowohl Geschäftsleute als auch Politiker verfügen sicher über beträchtliche Mittel, jedoch nicht über viel Zeit. Und sie sind es gewohnt, mit hochwertigen Medien angesprochen und gepitcht zu werden und nicht mit einem Papierflyer.
Die Vorlage zu Fundraising-Videos für diese Zielgruppe ist der Imagefilm, wie ihn auch Unternehmen zur Präsentation nutzen. Imagefilme sind oft hochwertig gemacht, aber NGOs können heute auch bei kleinem Budget hochwertige Medien erstellen, die gut aussehen und schnell die Key-Botschaften vermitteln. Für Firmen bietet sich neben Onlinevideo immer noch stark die Giva-Away DVD an, heutzutage ist auch das Video auf einem USB-Stick sehr hipp, ganz einfach deshalb, weil viele Firmen eine Firewall haben, die sehr restriktiv sein kann - eine DVD oder ein USB-Stick-Filmchen kann wirklich JEDER sehen, ein Internetvideo nicht unbedingt.
 
Alleinige Botschaft eines Sponsoren-Videos: Was bringt dem Geschäftsmann oder der Firma der Support unserer NGO oder Aktion? Eine aktuelle Studie bestätig: Es geht nach wie vor um die Partnerschaft "Geld gegen Ruf" (CSR Studie).  !  Keine Firma verschenkt Geld. Der Film darf keine der üblichen Selbst-Beweihräucherungen sein, sondern muss immer genau diese eine Botschaft vermitteln: Unterstützt unsere Sache, das bringt Eurer Firma genau folgende Vorteile... wie z.B. Publicity, Kontakte, verbessertes Branding usw. Für Politiker oder Entscheider der öffentlichen Hand sieht das nicht sehr viel anders aus. 

Kleines Technik - 1x1

Ausführliches Technik-Tutorial unter http://www.filmbit.de/workshop-vj
Video ist heute Standard der Kommunikation von NGOs. Es gibt keine bekannte Hilfsorganisation ohne Youtube-Kanal. Mittleren und kleinere Organisationen schrecken aber vor den vermeintlich hohen Kosten zurück. Dabei lässt sich auch mit wenig Geld ein eigener Videokanal realisieren. 

Hier ein Einkaufszettel mit Low-Budget Technik, der fürs erste ausreicht, um selber zu produzieren, und ein paar erste Hinweise zur Produktion - garantiert praxis-proved:
HD-Kamera
  • (+) MustHave: Aufzeichnung auf Speicherkarten, Mikroeingang, Kopfhörerausgang, guter optischer Zoom (echter optischer 12fach ist gut). Gute Modelle sind z.B. Canon HF100 oder Panasonic HDC-SD9 - Hier ein Kameravergleich der WELT für Consumer Kameras
  • (-) MustNotHave: Bildsensor kleiner als 1/3 Zoll
  • Preis: 400-600 Euro (gebraucht auch wesentlich günstiger möglich)
Alternativ tut es in manchen Fällen auch ein vernünftiges Smartphone - hey, die zeichnen sogar in HD auf - und Ton ist bei denen heutzutage oft schon recht gut.  
Foto- oder Videostativ
  • (+): Schnellwechselplatte, schnell verstellbarer Kopf, leicht, möglichst hoch - gut ist es, wenn das Kameraobjektiv bis auf Augenhöhe kommt (Stative mit 165 cm minimum).
  • (-)MustNotHave: Schwenk-Kopf mit Öldämpfung ist zu teuer! Schwenks sind sowieso heutzutage ziemlich out.
  • Preis: 50 Euro, Flohmarkt auch schon für 5 Euro.
Ansteckmikro (Krawattenmikro)
  • Bei Conrad - unbedingt nötig für Interviews und besser wie ein Reportermikro.
  • (+): möglichst kleiner Mikrofonkopf, Cliphalter aus Metall
  • (-): Nicht gebraucht kaufen!
  • Preis: schon für 12 Euro.

 
In Ear - Kopfhörer
  • Er blendet Außengeräusche aus und hilft so, den Ton zu kontrollieren
  • (+): Guter Wirkungsgrad (ab 106 db), damit man auch was hört
  • (-): Frequenzgang ist erst mal egal.
  • Preis: 10 - 20 Euro
PC oder Laptop für den Schnitt
  • Jeder aktuelle Rechner ist fähig, HD-Videos zu schneiden.
  • (+): Dualcore ab 2,2 GHz und mind. 2Gb Arbeitsspeicher
  • Preis: Ca. 500 Euro neu (nur der PC) / 700 Euro (Laptop)
Externe Festplatte
  • Videodateien sind GROß - und sie müssen auch als Backup existieren, damit nichts verlorengehen kann.
  • (+): 500Gb zwei mal
  • Preis: 2 x 60 Euro
Videotasche
  • (+): Eine "Ein-Griff-alles-dabei" Lösung. Tasche muss Regenfest sein, stoßgedämpft, am besten schwarz oder dunkel
  • Preis: 50 Euro bei Ebay oder Kleinanzeigen

Freeware zum Schneiden

  • Video Pad Editor von Softonic ist relativ einfach zu bedienen ist. Er ist meine Empfehlung für alle, die nur übliche Schnitt-Aufgaben haben (das sind 98% von Euch!). Kaufversion exportiert sogar direkt zu Youtube und kostete bisher grad mal 30 Euro. Vorsicht beim Download der Freeware, manchmal will er noch Werbung mitinstallieren, das einfach wegklicken. 
  • Lightworks ist ein Profiprogramm zum Schneiden und seit kurzem kostenlos auf dem Markt. Hochwertig, aber verlangt einige Einarbeitung, damit werden sogar Hollywood-Blockbuster geschnitten

  • Irgendwer muss das Videoprojekt ja durchziehen. Jeder Mitarbeiter einer NGO kann mit etwas Übung eine Consumer-Kamera bedienen. Dafür sind diese Dingerchen ja gedacht. Eine kleine Schulung oder Übung im VJ-Journalismus können helfen, das Anfängerfehler schnell überwunden werden.
  • Den Schnitt jedoch sollten möglichst immer dieselben Personen machen, denn Schneiden verlangt Einarbeitungszeit, ein Gespür fürs Storytelling und ein wenig mehr an technischem KnowHow.

Produktionsablauf

  • Planung des Projektes hängt am Endprodukt: Je nachdem ob es ein Trailer, ein Statement oder ein Bericht werden soll ist unterschiedlich viel Vorbereitung nötig. Jedes Projekt soll auch zur Kommunikationsstrategie passen. Es bringt nichts, einfach so mal zu filmen. Zielpublikum, Distributionsplattform und Strategische Implementierung müssen VOR dem Dreh geklärt sein. Dazu gibt es später noch einen Post...
  • Dreh: Bei aufwendigeren Projekten sollte hier vor allem an genügend Speichermedien und Stromakkus mitgenommen werden.
  • Editing: Bei Berichten ist das in einem Tag möglich.
  • Backup und Archiv-Datei erstellen nicht vergessen
  • Upload ins Internet - am besten natürlich in den eigenen Youtube-Channel, aber dort vernünftig einsortieren und vertaggen.
  • Verlinkung auf den diversen Kommunikationsplattformen - nicht nur Social Media, auch Google-Suchmaschinenoptimierung nicht vergessen.

Kaffee

  • Einen Kaffee trinken - das Koffeinbedingte Kamerazittern gleicht die Anti-Wackelautomatik heutiger Camcorder locker aus.
  • Und nicht vergessen: Ein Film soll Unterhaltungsmomente haben, sonst will ihn niemand sehen. Aber davon später...

... oder beim Barcamp 2.0 am 21.1.2011 in Berlin. Dort werde ich eine Session zu dem Thema abhalten.