Sonntag, 13. November 2016

Sex mit Blinden


Video der Woche

Norwegische TV-Werbung von 2011 mit einem äußerst gelungenen NonProfit-Clip über ein "Blind Date" (sorry, das Wortspiel konnte ich mir nicht verkneifen):

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Der norwegische Blindenverband hat mit diesem Clip (Agentur Try advertising) auf äußerst geschickte Weise für die Einstellung von Blinden geworben. Gelungen, weil "Sex sells?" Das auch - aber man kann noch viel mehr daraus lernen.

1) Apell an Eigeninteresse - statt an Menschlichkeit

Dieser Clip hat zwar ein NonProfit-Ziel, jedoch eine Profit-Zielgruppe. Er will Interesse bei Arbeitgebern erzeugen, über die Einstellung von Blinden nachzudenken. Und dazu appeliert er hier ganz direkt an die Eigeninteressen - ein sinnvolles Vorgehen, das jeder nachvollziehen kann, der schon mal Sponsoringverträge mit Firmen für seine NGO oder Stiftung aushandeln musste. Natürlich geschieht es hier nur mit einem Augenzwinkern. Aber der Motivator ist hier ganz klar nicht selbstlose Menschenliebe.
>> Kenn deine Zielgruppe & Kenne ihre Motivationen.  <<

2) Sub-Message

Natürlich konzentrieren wir uns zunächst komplett auf die Sex-Szene - und dann auf den Witz am Ende, als das Geheimnis aufgelöst wird, warum der Mitarbeiter sich nicht an dem Office-Sex stört: Genau! Weil er blind ist. ABER während diese hochgradig lustige und spannende Szene erzählt wird, gibt es eine zweite Geschichte, die wir als nebensächlich einstufen und die daher sehr sublime direkt zu uns spricht: Dieser Mitarbeiter ist außerdem GUT in dem was er tut. Er ist fleißig, kümmert sich um neue Technik und außerdem ist er sehr symphatisch. Das alles wird sozusagen in einem Sub-Text als Nebenhandlung erzählt. Aber Bilder haben Macht - sie bleiben haften. Umso mehr, als sie so "nebenbei" daherkommen. So wie wir Coka Cola unweigerlich mit Leuten am Strand in Verbindung bringen - oder einen Austin Martin mit James Bond. Der lustige Spot etabliert auch einen sympatischen Blinden, den sich jeder Arbeitgeber doch nur wünschen kann.
>> Sub-Messages können stärker wirken als jeder Call2Action. <<


3) Sex sells


Ist es der Sex hier nötig? Sehen wir uns zum Vergleich einen weiteren Spot an, der exakt dieselben Story-Elemente enthält - jedoch ohne den Sex auskommt:


Auf Youtube ansehen

Ich glaube, jeder wird mir zustimmen, dass der Clip weit abfällt hinter dem ersten. Der Grund ist eben die fehlende Würze, die der Office-Sex dem ganzen hinzufügt. Grenzüberschreitung war und ist immer schon das Element, das Spannung erzeugt.
In NonProfit-Organisationen herrscht große Zurückhaltung, wenn es um Erotik als Element des Storytelling geht. Gebrandmarkt von der schamlosen Reduktion von Frauen auf ihren Körper in der kommerziellen Werbung. Kann ich gut verstehen. Aber viele NonProfits hatten kein Problem bei der Reduktion von Notleidenden auf ihre Not und auf reine Empfänger unserer Mildtätigkeit. Das ist mindestens genauso ein Sündenfall.
Ich persönlich halte Erotik und Sex für etwas völlig Menschliches, einen enorm hohen Motivator und gepaart mit Humor auch für ein extrem gutes Mittel des Storytelling. Es kategorisch auszuschließen ist schlicht eines: Schade. - es gehört doch zu uns, oder? Es gilt eine einfache Grundregel:
>> Wer Respekt vor Menschen hat, der wird auch Sex im Storytelling richtig umsetzen.  <<

Eine schöne Woche - von Eurem Jan Heilig.